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Die Kinder sollen es leichter haben

Betreten der Baustelle verboten

Ich sehe nur Arbeit und Überforderung

Dieser Tage war ich wieder auf der Baustelle von Tochter und Schwiegersohn. Es fällt mir jedes Mal schwer vom Baustellen-Modus in den Business-Modus umzuschalten. Umgekehrt geht das schneller, abgesehen von den roten Fingernägeln, von denen ich erst am Ende des Tages den dreckigen, zerkratzten Lack entferne.

Ich bewundere die jungen Leute, die sich aus dem alten Häuschen ein modernes, zeitgemäßes Zuhause bauen. Und gleichzeitig könnte ich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ich erahne das Ausmaß an Arbeit, das noch auf die beiden zukommt, sehe meine Tochter und ihr Baby mittendrin. Die Kleine ist ein zufriedenes Kind, schläft viel, so als ob sie wüsste, die Eltern bauen ein schönes Zuhause.

Schmerzhafte Erinnerungen

Und dann erinnere ich mich an die junge Frau, die ich einmal war. An die Baustellen in und um Haus und Hof. Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, sehe ich Arbeit und Erschöpfung. Meine zweite Tochter war neugeboren, als wir im Vierkanthof eine neue Heizung einbauten und wochenlang Handwerker im Haus waren. Ich möchte nicht, dass es meinen Kindern genauso geht und versuche zu unterstützen wo ich kann.

Ach, wie gerne möchte ich alle Gefahren, alle Schwierigkeiten von meinen Kindern fernhalten.
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Das Drama nicht der jungen Generation weitergeben

Eine Stimme in mir pfeift mich zurück: „Das Gefühl der Überforderung, gehört nicht zu deiner Tochter, das ist dein eigenes! Behalte es bei dir!“

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Wenn uns Situationen an unserer eigene schmerzhafte Geschichte erinnern, tritt ein verletzter jüngerer Anteil auf die Bühne. Da passiert es leicht, dass wir Vergangenheit und Gegenwart vermischen.

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Die junge Familie ist voller Elan, voll Tatendrang. Sie sind gut organisiert. Mein Drama von damals hat hier keinen Platz. Darum darf ich mich selbst kümmern.

Sich selbst die beste Freundin sein

„Die Kinder sollen es leichter haben.“ Das ist ein Satz, den ich auch von meinen Coaching-Klientinnen immer wieder höre. Auch wenn es schwer fällt zuzusehen wie sie sich abmühen; im Grunde wissen wir, dass unsere Kinder ihre Erfahrungen selber machen müssen.

Die Emotionen, die mit den eigenen Erfahrungen verbunden sind, dürfen wir bei uns behalten. Dass es hier häufig zu Verwechslungen kommt, wird in den Systemischen Aufstellungen immer wieder sichtbar. Manchmal nehmen wir die Gefühle eines anderen Menschen auf und manchmal fühlen wir intensiver mit (oder besser gesagt für) jemanden, als die betreffende Person selbst. Das kann passieren, wenn uns eine Situation an etwas schmerzhaftes aus der eigenen Geschichte erinnert.

Sobald mir so etwas bewusst wird, kann ich die jüngere Version meiner selbst mit all ihrer Trauer, ihrem Schmerz, der Scham, der Überforderung annehmen, trösten und liebevoll umarmen. Und so immer mehr und mehr lernen, sich selbst die beste Freundin zu sein.

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