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Hilfe, mein Inneres Kind steuert mich!

Kleines Mädchen mit Monster

Mach kein Theater, du bist doch kein kleines Kind mehr, höre ich mich selbst mit mir schelten.

Eine scheinbar alltägliche Situation

Die Chefin kam in mein Büro und berichtete mir von dem Anruf einer Klientin. Die Frau hätte gerne einen zeitnäheren Termin und würde daher auch zu einer Kollegin gehen, da sie bei mir so lange warten müsse. Ich hatte meiner Chefin die Umstände erklärt. Diese sagte: „Bitte schau, dass du deine Klienten und Klientinnen so rasch wie möglich drannehmen kannst“, und ging.

Am Abend saß ich im Bett, die Konversation mit der Chefin lief durch meinen Kopf und Tränen rannen über meine Wangen. Mein Mann fragte mich, was mich so traurig mache. Ich konnte ihm nur den Vorfall schildern, von dem ich selbst wusste, dass daran nichts Dramatisches war. Es war ein Gespräch gewesen, wie es tausendmal im Alltag vorkommt, nichts besonders Schlimmes. Ich konnte selbst nicht verstehen, was mit mir los war und hörte meine eigene innere Stimme: „Was machst du für ein Theater wegen so einer Lappalie? Du bist doch kein kleines Kind.“

Das Innere Kind ist aktiviert

Genau! Ich reagierte wie ein kleines Kind.

Kennst du das? Du schaust dir selbst zu und schüttelst den Kopf. Manchmal wirst du wie vom Autopiloten gesteuert.

Das sind Hinweise, dass ein innerer Anteil die Führung übernommen hat. Meistens sind es Erlebnisse aus der Kindheit, die getriggert werden und uns handlungsunfähig machen: Das Innere Kind ist aktiv.

Das Innere Kind ist ein Konzept aus der Psychologie, welches besagt, dass wir alle unsere jüngeren Anteile in uns tragen. Es repräsentiert unsere kindliche Seite, die emotionalen Bedürfnisse und Wünsche, die wir als Kinder hatten.

Was ist das Innere Kind

Der Begriff „inner child“ wurde erstmals von dem US-amerikanischen Psychologe John Bradshaw(1) in den 1980er Jahren verwendet.

Aus der Psychologie wissen wir, dass vieles von dem, was wir tun, unbewusst abläuft. Das ist auch sehr hilfreich. Wir müssen zum Beispiel nicht viel darüber nachdenken, wenn wir uns täglich die Zähen putzen. Das Gehirn hat Routine gelernt, es saust auf seinen Nervenbahnen dahin.

Traumatische Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen, kerben sich im Gehirn ein. So, wie wenn wir auf der Autobahn ganz unverhofft in ein Schlagloch geraten, können wir ganz unverhofft in eine Kindheitserinnerung zurückfallen. Und wer im Loch sitzt, sieht bekanntlich nicht, was außerhalb ist. Wir fühlen uns wie das kleine Kind: hilflos, überfordert, ausgeliefert.

Warum es Sinn macht, sich mit dem Inneren Kind zu beschäftigen

Wenn wir uns in gefährliche Situationen befinden, entscheidet unser Gehirn ganz schnell: Kämpfen? Davonlaufen? Totstellen?

Als Kleines Kind waren wir ausgeliefert. Und wenn in schlimmen Situationen weder kämpfen noch davonlaufen möglich war, wählte das Gehirn todstellen. Wir packten die schmerzhafte Erfahrung in eine Ecke und schauten nie wieder hin. Das ist ein grandioser Schutzmechanismus, der uns half, weiterzuleben. In der Psychologie heißt das dissoziative Abspaltung.

Die Schweizer Psychologin Julia Onken spricht von „tiefgefrieren“. Mir gefällt dieses Bild sehr gut. Wenn ein schmerzhaftes Ereignis für uns kaum aushaltbar ist, wird es in unserem Innern eingefroren damit es uns nicht mehr verletzen kann.

Irgendwann im Laufe des Lebens kommt ein Sonnenstrahl auf dieses Eis und der Schmerz wird wieder spürbar. Doch die Erinnerung kann keinen direkten Zusammenhang herstellen. Wir werden von unserem Unbewussten gesteuert, der Autopilot fährt mit uns, wir haben scheinbar keine Eingreifmöglichkeit.

Anzeichen, die auf ein Inneres Kind-Thema hinweisen

  • Wenn eine Situation oder eine Person in dir eine unangemessen oder übertrieben emotionale Reaktion hervorruft, wurde vermutlich dein Inneres Kind aktiviert.
  • Wenn du bestimmte Orte meidest, weil sie dir unheimlich sind, ohne dass es eine rationale Erklärung dafür gibt. Bei mir zum Beispiel waren das Tiefgaragen. Als Kind wurde ich oft in den Keller gesperrt, in dem es nur sehr spärliches Licht gab.
  • Vielleicht kennst du andere Verhaltensmuster an dir, Dinge, denen du aus dem Weg gehst, wobei es eigentlich keinen erklärbaren Grund dafür gibt?
  • Bestimmte Wörter, Sätze oder Tonlagen, die dich „auf die Palme bringen“ und dein Gegenüber steht ratlos da und versteht die Heftigkeit deiner Reaktion nicht.
  • Auch ein Geruch kann eine Überreaktion auslösen, wenn dein Unbewusstes einen bestimmten Geruch mit einer traumatischen Erfahrung verknüpft hat.
  • Wenn du ständig einen negativen inneren Dialog am Laufen hast. Bei mir zum Beispiel war das lange Zeit so, dass ich dauernd darauf gefasst war, dass jemand kommt und mich zurechtweisen würde. Bei alltäglichen Dingen. Ich sammelte schon Sätze von Entschuldigungen und Erklärungen im Kopf, wenn ich über eine fremde Wiese spazierte oder wenn ich im Hof die Wäsche aufhängte, warum ich das so und nicht anders mache.
  • Wenn du Schwierigkeiten hast, gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten, oder immer wieder in ungesunde Beziehungen gerätst, kann dies auf unverarbeitete emotionale Erfahrungen aus der Kindheit zurückzuführen sein. Gerade bei Beziehungen ist es so, dass wir Partner*innen magisch anziehen, um mit unserem Inneren Kind in Kontakt zu kommen. Das ist gut nachvollziehbar, denn als Kind waren wir auf die Beziehung zu unseren Eltern angewiesen und wir haben alles getan, um geliebt zu werden. Wenn diese Sehnsucht nach Liebe, Zuwendung, Aufmerksamkeit, usw. nicht gestillt wurde, projizieren wir diese unbewusst auf unseren Partner. Doch ein Partner/eine Partnerin kann diese Sehnsucht niemals stillen.

Das Innere Kind ans Licht holen

Wenn du dich in einem oben beschriebenen Zustand wiederfindest, frage dich, ob es dich an Situationen aus deiner Kindheit erinnert.

Du als Erwachsene hast es heute in der Hand, dein Inneres Kind zu trösten und zu nähren.

Beginne, dich selbst zu fragen, was du als Kind gebraucht hättest, um dich sicher und geliebt zu fühlen. Dein verletztes Inneres Kind sehnt sich oft nach Sicherheit, Geborgenheit, Liebe und Verständnis.

Suche nach Möglichkeiten, wie du die Bedürfnisse deiner Kleinen heute erfüllen kannst. Stell dir vor, wie du dein Kind auf deinen Schoß nimmst und es liebevoll umarmst.

Kinder wollen spielen. Sei kreativ, wie du mit deiner Kleinen spielen kannst. Vielleicht malen, basteln, schnipseln, in Pfützen springen, schaukeln oder etwas ganz anderes. Folge deinem Instinkt und mach etwas, das dir Spaß macht!, Sei albern, erlaube dir lauthals zu lachen und Dinge zu tun, die du als Kind immer schon gerne gemacht hast oder gerne gemacht hättest.

Du kannst dich auch schreibend deinem Inneren Kind nähern. Schreib ihm einen Brief oder schreibe einen Dialog. Frag es, was es gebraucht hätte und was es heute von dir braucht. Leih ihm dann deine Hand und deinen Stift und lass dich überraschen, was aufs Papier fließt. Denk nicht lange nach, beginne einfach zu schreiben. Lass dich führen. Wenn du fertig bist, leg den Stift beiseite, atme ein paar mal tief durch und lies das Geschriebene.

Auch geführte Meditationen und Achtsamkeitsübungen, in denen du dich auf dein Inneres Kind konzentrierst, können dir helfen, deinem Inneren Kind die Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken, die es braucht.

Ich habe für dich zwei geführte Reisen aufgenommen, die dir helfen in Kontakt mit deinem Inneren Kind zu kommen.

Liebevoll mit der Kleinen und mit der Erwachsenen

Wenn du beginnst, dich mit deinem Inneren Kind zu beschäftigen, sei geduldig. Es ist gut möglich, dass die Kleine skeptisch ist, vielleicht sogar verärgert oder trotzig. Erwarte nicht, dass sie dir sofort vertraut. Wie denn auch? Sie musste viele Jahre allein klarkommen und war mit ihrem Schmerz im Verborgenen.

Doch Vorsicht! Mach dir bitte selbst keine Vorwürfe, dass du dich nicht eher um sie gekümmert hast! Es gibt bestimmt tausend Gründe dafür. Sei auch mit der Erwachsenen liebevoll. Jetzt bist du da, das ist alles, was zählt.

Gib der Kleinen Zeit, um Vertrauen zu gewinnen. Sicher kennst du die Geschichte mit dem Fuchs, aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry(2)? Ich finde diese Szene so treffend, wie es sein kann, wenn wir beginnen, uns mit dem Inneren Kind zu beschäftigen:

»Ich kann nicht mit dir spielen«, sagte der Fuchs. »Ich bin nicht gezähmt.«

»Ah! Verzeihung«, sagte der kleine Prinz.

Nachdem er kurz überlegt hatte, fügte er hinzu:

»Was bedeutet ›zähmen‹?«

(…)

»Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.«

»Vertraut machen?«

»Natürlich«, sagte der Fuchs. »Du bist für mich nur ein kleiner Junge, ein kleiner Junge wie hunderttausend andere auch. Ich brauche dich nicht. Und du brauchst mich auch nicht. Ich bin für dich ein Fuchs unter Hundertausenden von Füchsen. Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt …«

(…)

Da verstummte der Fuchs und schaute den kleinen Prinzen lange an:

»Bitte … zähme mich!«, sagte er.

(…)

»Was muss ich machen?«, sagte der kleine Prinz.

»Du musst sehr geduldig sein«, antwortete der Fuchs. »Du wirst dich zunächst mit einem kleinen Abstand zu mir in das Gras setzen. Ich werde dich aus den Augenwinkeln aus anschauen und du wirst schweigen. Sprache ist eine große Quelle für Missverständnisse. Aber jeden Tag setzt du dich ein wenig näher …«

(…)

Der kleine Prinz – Kapitel 21 – Text online lesen: Der Fuchs (exuperysprinz.de)

Das Innere Kind als Ressource

Heute bin ich erwachsen, jetzt passe ich auf dich auf. Niemand darf dir je wieder Leid antun.“

Sei geduldig und bleib in Kontakt. Sag deinem Inneren Kind, dass es durch schwierige Zeiten gegangen ist und dass es alles richtig gemacht hat. Es hat alles so gut gemeistert, damit du erwachsen werden konntest.

 „Heute bin ich erwachsen, jetzt passe ich auf dich auf. Niemand darf dir je wieder Leid antun. Bei mir bist du sicher.“ Sag ihm das so oft als möglich, immer und immer wieder.

Wenn du das nächste mal überreagierst, nimm dir einen Moment Zeit, atme durch frag dich, ob dich die Situation an deine Kindheit erinnert. Dann schenke der Kleinen die nötige Aufmerksamkeit. Sag ihr, sie darf spielen gehen, du übernimmst jetzt als Erwachsene.

Als Kind haben wir oft Grenzüberschreitungen erlebt. Dein Inneres Kind rebelliert, wenn deine Grenzen verletzt werden. Es weist dich darauf hin, wenn du wieder einmal dich selbst übergangen hast.

In Systemischen Aufstellungen zeigt sich immer wieder, dass ein Inneres Kind, das gut integriert ist, sehr viel Wissen und Weisheit in sich hat. Kein Wunder, es hat viele Strategien entwickelt, um zu überleben. Das Innere Kind hilft uns, unsere Grenzen zu wahren und erinnert uns daran, unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen.  

Ein Geschenk für dich

Für meine Newsletter-Abonnentinnen habe ich zwei geführte Meditationen aufgenommen:

  • Dem Inneren Kind begegnen
  • Der sichere Ort der Geborgenheit

Trag dich gerne mit deiner E-Mail-Adresse ein, dann schicke ich dir den Link zu:

Damit wünsche ich dir viel Freude und spannende Abendteuer mit deinem Inneren Kind.

Schreib in den Kommentaren, wie es dir mit deinem Inneren Kind geht und auf welche Einfälle dich deine Kleine bringt. Falls du Hilfe brauchst, kannst du gerne ein kostenloses Erstgespräch buchen. Ich freu mich auf dich!

Zum Weiterlesen:

(1) John Bradshaw: Das Kind in uns. Wie finde ich zu mir selbst. 1990. Knaur

(2) Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz.

Luise Reddemann: Dem Inneren Kind begegnen

Erika J. Chopich, Margaret Paul: Aussöhnung mit dem Inneren Kind

Teal Swan: Den Schatten umarmen – Verletzungen der Seele heilen

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