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Muttertag – eine ambivalente Geschichte

Ohne sie wären wir nicht hier. Sie hat uns das Leben geschenkt.

Wir waren in ihrem Bauch. Wir haben an ihrer Brust getrunken.

Und wenn du selbst Mutter bist, kennst du diese unbeschreibbare Liebe beim Anblick des Neugeborenen.

Der Blick aus der anderen Richtung sieht vielleicht anders aus?

Hach, wieviele Tausend Euros habe ich ausgegeben, um mich „meinem Mutterthema“ zu stellen. Auch von einigen meiner Klientinnen kenne ich das ambivalente Verhältnis zur eigenen Mutter. Mehr dazu weiter unten.

Genauso ambivalent ist die Geschichte dieses Tages, an dem wir unsere Mütter ehren.

Auch der Göttervater hatte eine Mutter


Die Verehrung der Mutter reicht weit zurück, bis zu den antiken Griechen. Am Anfang stand Rhea, die Mutter des Göttervaters Zeus. Rhea wird als Mutter der Götter und Mutter der Menschen verehrt. Ihre Mutter Gaia wiederum galt als die Urmutter, als „große Erdmutter“.

Rheas Gemahl Kronos verschlang all ihre Kinder, bis auf Zeus, den sie vor ihm beschützen konnte.

Im Mutter-Archetyp beschreibt Carl Gustav Jung die ambivalenten Anteile der „Großen Mutter“, der „Urmutter“. Das Gebärende, Fürsorgliche steht neben verschlingenden, zerstörerischen Aspekten.

Muttertag – für gesundes Leben von Müttern und Kindern

Die Idee des Muttertages gründete in den schlechten Bedingungen für Mütter im Amerika des 19. Jahrhunderts.

Als 1858 Anna Marie Reeves Jarvis den Mothers Days Works Clubs im heutigen West-Virginia gründete, war es ihr Anliegen, die Gesundheit in den Familien zu verbessern. Sie sammelt Geld, um an Tuberkulose erkrankte Mütter zu unterstützen und setze sich für die Verbesserung von Sanitäranlagen ein, um die Kindersterblichkeit zu verringern.

Als der Amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865) ausbrach, organisierte Anna Marie Reeves Jaris „Mother’s Friendship Days“ (Mütter-Freundschaftstage) um verwundete Soldaten zu unterstützen.

Eine Mütter-Friedenstag-Initiative „peace and motherhood“ rief sie 1870 ins Leben mit dem Ziel, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Söhne nicht mehr Kriegen zum Opfer fallen sollen. Sie veranstaltete Treffen für Soldatenmütter beider Seiten. Der Schmerz jeder Mutter, wenn ein Kind Leid erfährt, bewegte sie, um für die Einführung eines Muttertages zu werben.

Auch die Schriftstellerin und Mitstreiterin in der Frauenrechtsbewegung, Julia Ward Howe, machte sich für einen Muttertag stark. Sie sah den Muttertag als Protest gegen den Krieg.

Ein Tag, den Müttern gewidmet

Ann Maria Jarvis, die Tochter von Anna Marie Reeves Jarvis, setzte die Arbeit ihrer Mutter fort. Einen Gedenkgottesdienst für ihre verstorbene Mutter widmete sie allen Müttern. Dies gilt als inoffizielle Geburtsstunde des heutigen Muttertages. Ann Maria Jarvis setzte sich vehement für die Einführung eines Muttertages ein und erreichte ihr Ziel, als 1914 das erstmal die amerikanische Flagge zu Ehren der Mütter gehisst wurde.

Groteske Ironie der Geschichte: Dies geschah an dem Tag, an dem in Europa der erste Weltkrieg ausbrach.

Gewonnen und verloren

Bald wurde auf der ganzen Welt der Muttertag gefeiert und der kommerzielle Aspekt des Muttertags nahm überhand. Blumenhandel, das Süßwarengeschäft und die Grußkartenindustrie hatten ihre Freude an diesem umsatzbringenden Tag. Ann Maria Jarvis bezeichnete die Unternehmer als „Banditen“ und versuchte vergeblich dagegen anzukämpfen.

Eine Parallele bahnt sich heute mit dem internationalen Frauentag an. Ins Leben gerufen, um auf Frauenrechte und Gleichstellung aufmerksam zu machen, steht in jüngster Vergangenheit immer öfter die „Verwöhnung der Frau“ mit Blumen und Pralinen im Vordergrund. Ich will keine Schokolade, ich will so viel verdienen wie ein Mann, könnte ein neuer Song des Frauentages werden.

Der mißbrauchte Muttertag

Die Ehrung der Mutter erhielt während der Zeit des Nationalsozialismus‘ einen weiteren bitteren Beigeschmack. Frauen, die viele Kinder gebaren, wurden mit dem Ehrenkreuz der deutschen Mutter ausgezeichnet. Viele Kinder bedeutet nicht nur viele Soldaten, sondern auch Stärkung der „arischen Rasse.“ Das Abzeichen reichte von Bronze für vier Kinder bis Gold für acht oder mehr Kinder. Der Muttertag wurde in Deutschland als Feiertag erkoren.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde der Feiertag wieder abgeschafft, das Offenhalten der Blumenläden ist uns bis heute erhalten geblieben.

Rosen haben Dornen

Die Mutter-Kind-Beziehung ist eine der intensivsten und komplexesten Verbindungen, die existieren.

Sie ist geprägt von Liebe, Fürsorge, aber auch von den Tiefen menschlicher Emotionen und Erfahrungen.

Verletzungen passieren ganz subtil und in der Regel ohne böse Absicht. Einen sehr wichtigen Artikel über die Heilung der Mutterwunde hat hierzu meine Kollegin und Freundin Laya Commenda geschrieben.

„Warum ich meine Tochter trotzdem liebe“ ist der Untertitel des Buches „Rabentöchter“ von Julia Onkel. Die Schweizer Autorin beleuchtet das Thema von beiden Seiten und geht darauf ein, wie durch die Heilung der Mutter-Tochter-Beziehung kraftvolle, weibliche Identität entstehen kann.

Eine Beziehung im Wandel

Keine Beziehung ist statisch und so darf sich im Laufe der Zeit auch die Mutter-Kind-Beziehung verändern und weiterentwickeln. Mit jeder Phase des Lebens, vom Säuglingsalter bis ins Erwachsenenalter, stellen sich neue Herausforderungen und Chancen für Wachstum und Heilung.

Als Erwachsene können wir die Dynamik der Beziehung erkennen. Wir sehen, unter welchen Bedingungen die Mutter gelebt und mit welchen Herausforderungen sie gekämpft hat. Wir versuchen uns damit zu versöhnen: Sie hat es so gut gemacht, wie sie konnte.

Und gleichzeitig bleibt ein verletztes Kind in uns. Der Kleinen ist es egal, ob es die Mutter schwer hatte oder nicht. Sie ist traurig, wütend, musste viel ertrage und hat sich zurückgezogen.

Die Erwachsene versteht. Das Kind muss nicht verstehen. Es ist Aufgabe für dich als Erwachsene, dein eigenes Inneres Kind zu versorgen. Deine Mutter hat ihres getan. Jetzt ist es an dir, Mutter für dein Inneres Kind zu sein.

Versöhne dich mit deinem Inneren Kind, umarme es liebevoll, baue eine gute Beziehung zu ihm auf. Du wirst sehen, wie sich dadurch nicht nur die Beziehung zu deiner Mutter entspannt, sondern all deine Beziehungen davon profitieren.

Egal wie du zum Muttertag stehst, ich wünsche dir, dass du eine gute Mutter für dich und dein Inneres Kind sein kannst. Schenk dir selbst den Blumenstrauß von deinem Inneren Kind – in Form einer Zeichnung, eines Spaziergangs in der Natur, eines Museumsbesuches, einer Journaling-Stunde – dein Inneres Kind weiß, was du liebst ❤️.

Hinterlasse gerne einen Kommentar. Ich freu mich von dir zu lesen, wie du es mit deinem Muttertag hälst.

Zum Weiterlesen / Quellen:

Julia Onkeln, Rabentöchter: Weshalb ich meine Mutter trotzdem liebe (Beck’sche Reihe)

Archetypen. Urbilder und Wirkkräfte des Kollektiven Unbewussten. C. G. Jung

https://de.wikipedia.org/wiki/Julia_Ward_Howe

https://de.wikipedia.org/wiki/Ann_Maria_Reeves_Jarvis

https://layacommenda.com/die-mutter-wunde-emotionale-verletzungen-heilen

2 Antworten

  1. Danke, Sista, für das Thema und die spannende Geschichte des Muttertages!

    Damit habe ich mich noch nie so in der Tiefe auseinandergesetzt 😉

    Meine Mutter hatte den Muttertag „abgeschafft“ – eher aus Frust, glaube ich. Und ich? Feiere ihn nicht und bin auch froh, dass sich mein Herr Sohn in keiner Weise verpflichtet fühlt, mich an diesem Tag zu ehren.

    Ich bemuttere mich selbst, und lass mich bei Bedarf von anderen bemuttern,

    Ich ehre alle Mütter dieser Welt, mit allen Ambivalenzen, Widerständen, aber auch mit all der Schönheit und der tiefen Liebe, die zum Mutter-Sein gehört-

    Genauso ehre ich alle Frauen, die sich bewusst gegen die Mutterschaft entschieden haben. Und fühle mit allen, die gerne Kinder gehabt hätten, aber keine bekommen konnten.

    Ein Hoch auf alle Frauen!

    1. Danke für deinen Beitrag, Sista!
      Du sagst es, wenn wir für uns selbst Mutter sein können, sind wir emotional unabhängig und die Beziehung zu den Kindern ist nicht von Bedürftigkeit überlagert.
      Ein Hoch auf alle Frauen!

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