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Warum bin ich ihm nicht wichtig

Frau_versteht_nicht

Immer bin ich die, die warten muss.

Warum habe ich immer einen Partner, der nie wirklich für mich da ist? Immer sind alle anderen wichtiger als ich. Ja, seine Mutter. Sie ist alt und er sagt, er weiß nicht, wie lange er sie noch hat. Das verstehe ich. Aber dann sind da noch seine Kinder und seine Exfrau und falls die alle versorgt sind, macht er Überstunden. Was bitte ist mir mir? Wann komme ich dran? Immer muss ich warten. Wann komm endlich ich dran?

Sybilles Augen funkeln feurig. Wut klingt aus ihrer Stimme.

Schluss mit verstehen

Ich verstehe ja, dass er für seine Mutter einkaufen muss und ihr den Garten machen, und ich verstehe auch, dass die Kinder ihn brauchen, und …

Verstehst du auch, dass du wütend bist?

Ich bin nicht wütend.

Was ist, wenn du dir erlauben würdest, wütend zu sein?

Stille.

Dann kommt er überhaupt nicht mehr.

Sybille wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Mit gesenktem Kopf, schaut sie mich von unten an.

Wie alt bist du? Sag eine Zahl. Ohne nachzudenken.

Sieben.

Sieben. Was war, da, als du sieben warst?

Stille.

Ich hab so oft auf meinen Vater gewartet. Vor der Schule. Er sollte mich abholen, aber er kam nicht. Manchmal habe ich eine Stunde gewartet.

Die aufkommende Traurigkeit wischt Sybille schnell weg:

Ich verstehe ja, manchmal hatte ein Kundentermin eben länger gedauert. Und meine Mama musste bei meinem kleinen Bruder daheim sein, das ging halt nicht anders.

Dein Inneres Kind ist wütend

Die Erwachsene Sybille kann verstehen. Ja. Aber da ist ein verletztes Kind. Es ist traurig. Es ist wütend.

Es muss nicht verstehen.

Was würde passieren, wenn du die Wut einmal zulässt?

Das geht nicht.

Sybilles Augen füllen sich mit Tränen.

Und die Traurigkeit, darf die da sein?

Der Dämon im Keller

Manchmal ist der Schmerz zu groß. Wir tun alles, um ihn nicht zu spüren. Wir kreieren ein Leben rundeherum, fahren wie mit angezogener Handbremse, um dem Schmerz aus dem Wege zu gehen.

Die Kellertüre lieber nicht öffnen. Du weißt, dahinter lauert etwas. Ein Etwas, das du nicht kennst. Du weißt nur, dass da etwas ist. Etwas Bedrohliches. Ein Ungeheuer? Ein Drache? Ein Dämon?

Lieber lauwarm leben, auf Halbmast. Der Schmerz lebt ganz gut im Keller.

Aber die Wut? Was ist mit der Wut? Wenn die losgelassen, dann Gnade Gott.

Dem Inneren Kind zuhören

Die Kleine hat allen Grund, wütend zu sein. Sie wurde im Regen stehen gelassen. Ausgeliefert. Schutzlos. Hilflos.

Als Kind sind wir auf unsere Eltern angewiesen. Wir wissen, wenn sie uns nicht versorgen, sterben wir. Und wir sterben innerlich, wenn wir keine Zuwendung erhalten.

Wir können es uns nicht leisten, den Kontakt zu unseren Eltern oder Bezugspersonen abzubrechen. Wenn unsere Eltern nicht in der Lage sind, unsere grundlegenden Bedürfnisse zu erfüllen, glauben wir, mit uns ist etwas nicht in Ordnung. Das „ich bin falsch“ prägt sich in uns ein. Wir suchen Verständnis für die Erwachsenen. Wir vertauschen das kleine, schutzbedürftige Kind mit einer vernünftigen Erwachsenen. Einen Teil von uns machen wir mundtot. Die Kleine verstecken wir im Kellerverließ.

Warum ist nie jemand für mich da?

Der Ursprung so manches Beziehungsdramas liegt hinter der Kellertüre.

Sybille erzählt mir, sie habe schon oft mit dem Inneren Kind beschäftigt. Aber da gibt es einen Punkt, über den sie nicht drüber kommt.

Einmal hatte mich eine Frau mitgenommen und nach Hause gebracht. Meine Eltern schimpften fürchterlich und ich bekam Schläge, weil ich mit einer Fremden mitgegangen bin.

Das kleine Mädchen tut alles, um dieser ausweglosen Situation zu entkommen. Sie vertraut der fremden Frau. Die Eltern können den eigenen Fehler nicht anerkennen und bestrafen das Kind. Ein destruktives Programm schreibt sich ein:

Für mich ist niemand da. Ich bin auf mich selbst gestellt. Und wenn ich jemanden vertraue, bekomme ich Schläge. Vertrauen ist gefährlich.

Sybille sehnt sich so sehr nach jemanden, der für sie da ist und gleichzeitig läuft ihr unbewusstes Programm. Sie ist innerlich auf der Hut und kreiert Situationen, die ihrer Überzeugung recht geben.

Das Vertrauen wiederfinden

Da unsere Existenz von unseren Eltern oder Betreuungspersonen abhängt, tun wir alles, um die Beziehung aufrecht zu halten. Werden unsere existentiellen Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt richten wir die Aggression gegen uns selbst: Mit mir stimmt etwas nicht, weil ich diese Bedürfnisse habe. Es ist mein Fehler. Die Geburtsstunde der Scham. Ich bin falsch. Ich sollte anders sein.

Das unschuldige Kind, mit seiner Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit, nach Sicherheit und Anerkennung versteckt sich im Keller. Die Vernünftige bewacht die Tür.

Irgendwann ist das Pumpern an der Kellertüre so laut, dass du es nicht mehr überhören kannst.

Manchmal zeigt sich dieses Pumpern anhand der Beziehung zu unseren Liebsten – so wie bei Sybille. Bei vielen macht es sich durch Körpersymptome bemerkbar. In Systemischen Aufstellungen zeigt sich das immer wieder – als Hinweis, hinzuschauen.

Wie oben beschrieben, braucht es viel Mut, die Kellertür zu öffnen. Es ist gut, wenn du dir jemanden mitnimmst, der oder die dich an der Hand hält und dir Schutz gibt.

Wenn ein Teil von dir sehr lange im Keller versteckt war, erwarte nicht, dass mit einmal Hinschauen alles gut wird. Gib dir Zeit. Gib dem verletzten Kind Zeit, um Vertrauen zu gewinnen. Bring es behutsam ans Licht und versichere ihm immer wieder: Bei mir bist du in Sicherheit. Du hast alles richtig gemacht.

Ich hab zwei geführte Reisen für dich aufgenommen. Die Reise zum sicheren Ort der Geborgenheit und die Reise zum Inneren Kind. Über den Button bekommst du den Zugangslink zugeschickt.

Zuerst das Innere Kind versorgen, dann erst vernünftig sein

Als Erwachsene wissen wir, dass es uns nicht weiter bringt, wenn wir unseren Eltern Gram sind. Sie haben es so gut gemacht, wie sie konnten. Aber das interessiert das kleine, verletzte Kind nicht. Deshalb ist es so wichtig, zuerst das Innere Kind zu versorgen und in Sicherheit bringen. Erst als zweiten Schritt, und der ist dann aber genauso wichtig, begeben wir uns auf die Erwachsenen Ebene. Als Erwachsene kann ich verstehen und verzeihen. Die Eltern haben es so gut gemacht, wie ihnen möglich war.

Zum Weiterlesen/Quellen

Laurence Heller & Angelika Doerne, Befreiung von Schuld und Scham

Alice Miller, Das Drama des begabten Kindes

Joseph Roth, Wie das Gehirn die Seele macht

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